Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Wie der Bundesgerichtshof über Bewertungen und Bewertungsportale urteilte
Sich als Unternehmen oder Anbieter im Internet bewerten zu lassen, hat nicht nur Vorteile,
sondern kann in vielen Fällen zu Ärgernissen führen. Öffentlich einsehbar für alle Nutzer
haben negative Bewertungen auf Google und Co. verheerende Folgen und können ein echtes
Geschäftsrisiko darstellen. Rezensionen auf Portalen wie Trustpilot oder Jameda sind ein
ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl von Nutzern für einen Anbieter oder ein
Unternehmen.
Gleichsam wächst die Aufmerksamkeit für Bewertungsportale und Bewertungen im Internet
seitens der Unternehmen und Anbieter immer mehr. So kommt es, dass sich zunehmend mehr
und mehr Unternehmen gegen negative Bewertungen, die ihrem Image schaden, zur Wehr
setzen. Viele der Klagen gehen vor den Bundesgerichtshof, der dann über die Anträge der
Unternehmen und Anbieter entscheidet.
Um einen Einblick in die Rechtslage zu Bewertungen und Bewertungsportalen zu geben,
haben wir eine Übersicht der wichtigsten BGH-Urteile und andere Rechtsprechungen
bezüglich dieses Themas zusammengestellt.
BGH-Urteil vom 27. März 2007, Az. VI ZR 101/06 zur Haftung von
Forenbetreibern
Im Jahr 2007 stellte der VI. Zivilsenat des BGH im Urteil 27. März 2007, Az. VI ZR 101/06
fest, dass der Betreiber eines Bewertungsportals oder Forums sogar dann zur Beseitigung
ehrverletzender Beiträge oder zur zukünftigen Unterlassung verpflichtet ist, wenn dem
bewerteten Unternehmen oder Anbieter die Identität des Verfassers der Bewertung bekannt
ist. Dies bedeutet, dass der Betreiber sogar dann haftet, wenn ohne Weiteres die Möglichkeit
besteht, gegen den Bewertenden vorzugehen.
BGH-Urteil vom 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08 zu der Plattform „Spickmich“
Das „Spickmich“-Urteil ist vielerorts bekannt, da es oft als Beispiel herangezogen wird, um
die Zulässigkeit anonymer Bewertungen zu erklären. Im Urteil ging ein Lehrer gegen die
Plattform „Spickmich“ vor. Er beanstandete, dass die Veröffentlichung vom Namen des
Lehrers sowie der Schule datenschutzrechtlich nicht in Ordnung sei. Aus dem BGH-Urteil
vom 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08 ging jedoch hervor, dass die öffentliche Bewertung von
natürlichen Personen, wie in diesem Fall beispielsweise ein Lehrer, datenschutzrechtlich und
anonym zulässig ist.
BGH-Urteil vom 12. November 2009 – I ZR 166/07 zu marions-kochbuch.de
Beim Urteil vom 12. November 2009 handelte es sich um einen Streit zwischen marions-
kochbuch.de und chefkoch.de. Dabei klagte die Betreiberin der Seite marions-kochbuch.de
gegen die Veröffentlichung eigener Bilder von chefkoch-Usern. Der BGH entschied, dass der
Betreiber der Webseite chefkoch.de für fremde Fotos, die User auf der Webseite hochladen,
haftet. Das Urteil vom 12. November 2009 – I ZR 166/07 zu marions-kochbuch.de ist vor
allem dadurch relevant, dass es aufzeigt, wann sich Portalbetreiber fremde Inhalte zu eigen
machen.
BGH-Urteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10 zu Blog-Einträgen und
Hostprovidern
In der Entscheidung vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10 legt der BGH Maßstäbe für ein
Prüfverfahren fest, das der Portalbetreiber durchzuführen hat, wenn bei einem Eintrag ein
Hinweis auf eine Rechtsverletzung vorliegt. Weiterhin wurde die Voraussetzung der
Störerhaftung für Portalbetreiber konkretisiert.
BGH-Urteil vom 27. März 2012 – VI ZR 144/11zu RSS Feeds
Im BGH-Urteil vom 27. März 2012 – VI ZR 144/11 wurde die Störerhaftung von
Portalbetreibern bei der Verletzung reaktiver Prüfpflichten erneut bekräftigt. Hingegen
wurden proaktive Prüfpflichten, also eine Prüfung der Bewertungen bevor sie veröffentlicht
werden, entsprechend abgelehnt.
BGH-Urteil vom 14. Mai 2013 – VI Z 269/12 zu „Autocomplete“
Im „Autocomplete“-Urteil beschäftigte sich der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit der
Haftung des Suchmaschinenbetreibers Google für Wortergänzungen bei
Suchwortvorschlägen. In der Entscheidung positioniert sich der BGH bezüglich der
sogenannten Störerhaftung und entschied, dass der Portalbetreiber erst ab Kenntnis von der
Rechtsverletzung zum Handeln verpflichtet ist. Weiterhin wurde festgelegt, dass nach
Kenntnis der Rechtsverletzung zukünftige Verletzungen verhindert werden müssen.
BGH-Urteil vom 1. Juli 2014 – VI ZR 345/13 zum Ärztebewertungsportal Sanego
Im Urteil vom 1. Juli 2014 entschied der BGH, dass ein bewerteter Arzt, Unternehmer oder
Anbieter keinen Anspruch auf Auskunft gegen den Betreiber des Portals hat. Sofern es sich
beim Inhalt der Bewertung nicht um eine strafbare Äußerung handelt, muss der Betreiber des
Bewertungsportals demnach keine Auskunft über die Daten des Verfassers an den Bewerteten
geben.
BGH-Urteil vom 23. September 2014- VI ZR 358/13 zum Ärztebewertungsportal
Jameda
Nicht nur gegen das Ärztebewertungsportal Sanego wurde bereits geklagt, sondern ebenfalls
gegen die Plattform Jameda. 2014 entschied der Bundesgerichtshof zum zweiten Fall über die
Forderungen eines Arztes gegenüber einem Ärztebewertungsportal. Der BGH entschied in
seinem Urteil vom 23. September 2014- VI ZR 358/13, dass ein Arzt sein Bewertungsprofil
auf Jameda nicht vollständig löschen könnte. Die Entscheidung beruhte darauf, dass der Arzt
in seinem Vortrag wesentliche Aspekte vergessen hatte, die eine Löschung möglich gemacht
hätten.
BGH-Urteil vom 19. März 2015 – I ZR 94/13 über ein Hotelbewertungsportal
Im Urteil vom 19. März 2015 – I ZR 94/13 hat der BGH entschieden, dass sich ein
Portalbetreiber die Bewertungen nicht zu eigen macht, wenn er diese nicht inhaltlich-
redaktionell aufbereitet, ihren Wahrheitsgehalt überprüft oder die Einträge lediglich auf
Verstöße gegen die eigenen Nutzungsbedingungen überprüft. Festgelegt wurde auch, dass der
Portalbetreiber die Bewertungen nicht verbreiten würde. Die Störerhaftung greift erst dann,
wenn der Portalbetreiber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wurde, die betroffene
Angabe jedoch nicht unverzüglich sperrt und keine Vorsorge trifft, dass die Angabe auch
zukünftig nicht verbreitet wird.
BGH-Urteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15 zum Bewertungsportal Jameda
2016 beschäftigte sich der BGH ein zweites Mal mit dem Ärztebewertungsportal Jameda –
dieses Mal mit dem Überprüfungsaufwand von Hostprovidern wie dem Bewertungsportal-
Betreiber Jameda. Jameda wurde in dem Urteil ein hohes Maß an Verantwortung aufgebürdet.
Wird die Wahrheit einer Bewertung beanstandet, muss der Plattformbetreiber in einem
Prüfverfahren dem bewerteten Arzt Nachweise des Behandlungskontaktes vorlegen.
BGH-Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16 zu klinikbewertungen.de
In seinem Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16 zu klinikbewertungen.de macht der
Bundesgerichtshof Äußerungen zur unmittelbaren Störerhaftung bzw. Täterhaftung bei
eigenmächtigen Änderungen von Bewertungen Dritter durch den Portalbetreiber. Festgelegt
wurde, dass die Manipulation von Bewertungen durch den Portalbetreiber rechtswidrig ist.
Der Portalbetreiber der Webseite klinikbewertungen.de musste in Folge des Urteils die
manipulierten Bewertungen löschen, da es sich hierbei um ein Sich-Zu-Eigen-Machen
handelt.
BGH-Urteil vom 20. Februar 2018 – VI ZR 30/17 zum Bewertungsportal Jameda
2018 urteile der BGH erneut über das Ärztebewertungsportal Jameda. Diesmal ging es wieder
um den Arzt, der sein gesamtes Jameda-Profil löschen lassen wollte. Der Bundesgerichtshof
gab dem Arzt, anders als im Urteil vom 23. September 2014, Recht. Das
Ärztebewertungsportal Jameda musste daraufhin das Profil des Arztes komplett löschen.
BGH-Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR 495/18 zu Bewertungsfiltern auf Yelp
Das Bewertungsportal Yelp trifft bei der Darstellung von Bewertungen eine Vorauswahl und
zeigt zunächst nur bestimmte „empfohlene“ Bewertungen an. Gegen diesen Filter bei der
Anzeige von Bewertungen hat ein Unternehmen geklagt. Im Urteil vom 14. Januar 2020 – VI
ZR 495/18 entschied der Bundesgerichtshof, dass das Bewertungsportal Yelp seine in Sternen
ausgedrückte Gesamtbewertung von Unternehmen auf eine automatisierte Auswahl
„empfohlener“ Bewertungen stützen darf. Die Auswahlmethode sei für Nutzer der
Bewertungsplattform Yelp erkennbar, weshalb die Auswahl der Bewertungen keinen
Wettbewerbsnachteil darstelle.